WHAT I DO

mein amsterdamer tagebuch

Im Sommer 1996 erhielt ich ein Stipendium der „Niederländisch Deutschen Stiftung für kulturellen Austausch“ unterstützt vom Kultusministerium in Rheinland-Pfalz. So konnte ich mehrere Wochen in Amsterdam arbeiten. Zunächst wohnte ich im Bahnhofsviertel, anschließend zog ich in einenbeschaulichen bürgerlichen Stadtteil und war dort Gast bei einer Künstlerin, die eine Malschule betrieb. Bei meinem Spaziergang durchs nächtliche Bahnhofsviertel am Tag meiner Ankunft machte ich einen überraschenden und folgenschweren Fund. An der nächstbesten Ecke (der 1., um die ich bog!!) lag unter einem Haufen Papiermüll, den der Wirt der Eckkneipe entsorgt hatte, ein dickes Amster damer Telefonbuch. Ich starrte das Buch mit großen Augen an, ließ es nach einigen Überlegungen liegen, war aber von dem Moment der Entdeckung an elektrisiert. Auf meinem Rückweg kam ich erneut an dem „Müllberg“ vorbei. Jetzt griff ich zu, wohlwissend, dass es kein Zurük mehr gab. Noch in derselben Nacht begann ich das Telefonbuch mit Chinatusche zu üermalen. Zum Glük führte ich in meinem Reisegepäck einen Fön mit, da sonst die Trockenzeiten der Tusche den zeitlichen Rahmen meines Aufenthalts gesprengt hätten. Das Bilder-Tage- und Nächte-Buch ist über 1400 Seiten stark. Es dokumentiert meine Zeit in Amsterdam, meine Gedanken, Gefühle, Ideen, Phantasien, Imaginationen, meine Verbeugungen vor dem Altmeister Rembrandt sowie den Klassikern der Neuzeit, Van Gogh und Mondrian. Nächtliche Ansichten der Grachten und des historischen Stadtviertels wechseln ab mit denen des Bahnhofsviertels, den Bettlern, Obdachlosen und Drogenabhängigen. Aus den Meisjes, Damen und Dominas, den Passanten und Freiern des Rotlichtviertels, werden Paare und Liebende oder Protagonisten antiker Themen wie das „Urteil des Paris“. Gestische Grafismen und abstrakte Kalligrafien wechseln sich ab mit Patterns und Reihungen, geometrisch, ornamental, abstrakt – Steine, Zweige, Blüten, Fische, Schmetterlinge, Wasser, Erde, Feuer, Luft. Werden und Vergehen. Das Mammut-Bilderbuch„Amsterdam toestand“ gibt Auskunft über das Leben, verweist auf die Schöpfung und die Liebe zu den Menschen.  

Klaus Fresenius